Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Bundesregierung setzt sich derzeit in der Europäischen Union für die Patentierbarkeit grundlegender Regeln des Denkens, Rechnens und Organisierens ein. Zugleich bedient sich die Bundesregierung auf ihren Webseiten selbst einiger der über 30000 Organisations- und Rechenregeln, auf die das Europäische Patentamt bislang gegen den Buchstaben und Geist der geltenden Gesetze Patente erteilt hat.

Im Zusammenhang der aktuellen Diskussion über den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Patentierbarkeit computer-implementierter Organisations- und Rechenregeln vom 20. Februar 2002 fordern wir von der Bundesregierung folgendes:

  1. Die Bundesregierung sollte darüber Rechenschaft ablegen, welche patentierten Organisations- und Rechenregeln sie auf ihren Web-Seiten verwendet, ob sie die Patente für rechtmäßig hält und welche Lizenzen sie dafür gegebenenfalls erworben hat. Ferner sollte sie klären, zu welchen Konditionen Normalbürger, insbesondere solche, die selbst geschriebene oder frei verfügbare Software einsetzen, in den Genuss ähnlicher Lizenzen kommen können.
  2. Die Bundesregierung sollte ihre Position zum rechtlichen Status von Logikpatenten anhand von Beispielpatenten klar stellen. Erst wenn es eine deutsche Position gibt, kann das BMJ diese Position im Rat der Europäischen Union vertreten. Zwischen nicht vorhandenen Positionen gibt es auch nichts zu harmonisieren. Auch die Opposition sollte sich ihrer Verantwortung stellen. Aus den bisherigen Äußerungen beider Seiten spricht kaum mehr als die hohe Kunst des delphischen Orakels.
  3. Wir haben zum Logikpatent-Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission einen umfassenden Gegenvorschlag ausgearbeitet. Zahlreiche angesehene Personen und Organisationen der Software-Branche unterstützen diesen Gegenvorschlag. 125000 Unterzeichner und 400 Firmen unterstützen eine Petition in ähnlichem Sinne. Wir schlagen vor, dass die Bundesregierung sich unseren Gegenvorschlag vorläufig zu eigen macht oder zumindest so lange in Brüssel als dialektischen Gegenpol ins Gespräch bringt, wie sie keine eigene ebenso klare und begründete Position eingenommen hat.
  4. Die Position der Bundesregierung und des Bundestages muss von Leuten erarbeitet werden, die verstehen, wie Software-Entwicklung funktioniert. Juristisches Fachwissen allein genügt nicht. Im Europäischen Ministerrat sollten Personen für unser Land sprechen, die in unserer Software-Fachwelt Ansehen als Experten in Fragen der Software-Ökonomie und des optimalen Schutzumfangs für Software-Schöpfungen genießen und denen man zutrauen kann, dass sie die vom Bundestag und der Bundesregierung erarbeiteten Positionen kraftvoll vertreten.

Bisherige Briefe und Appelle aus unserem Kreis an die Bundesregierung in dieser Sache wurden an das BMJ-Patentreferat weitergeleitet und dann nicht beantwortet. Selbst ein offener Brief von MdB Tauss an die Bundesjustizministerin wurde, soweit uns bekannt, nicht beantwortet. Wir hoffen diesmal auf eine Antwort von Politikern, die die zentrale ordnungspolitische Bedeutung der zur Diskussion stehenden Frage erkannt haben und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Mit freundlichen Grüßen

(Unterzeichner)